Im digitalen Raum ist konstruktiver Dialog auf dem Rückzug. Gleichzeitig verlieren journalistische Angebote Vertrauen als Quelle von Informationen. Beides gewinnt, wenn Verlage ihre recherchierten, exklusiven oder lokalen Themen auch diskursiv begleiten, statt die Auseinandersetzung den sozialen Medien zu schenken.
Probleme des Social Media Diskurses
Der Social Media Diskurs hat zwei hartnäckige Probleme, landläufig genannt: Fake und Hate.
Fake ist der Ausdruck dafür, dass die faktischen Behauptungen – über die und auf deren Basis diskutiert wird – zunehmend unzuverlässig sind. Herkunft und Motivationen von Informationen sind im digitalen Raum vielfältig und schwer zu prüfen und selbst bei professionellen medialen Quellen bröckeln journalistische Standards und nehmen Sprechweisen zu, die das Gesagte schon deutlich bewerten.
Hate ist Synonym für ein breites Spektrum an Meinungsäußerungen, die nicht auf Verständigung ausgerichtet sind. An der Spitze stehen rechtlich definierte und bewährte "Hasskommentare". Weitaus zahlreicher sind aber sogenannte "toxische Kommentare", die nicht verboten, aber eindeutig nicht für verständigen Diskurs geeignet sind, sondern mehr oder weniger subtile Angriffe auf andere Teilnehmer darstellen. Diese Defizite im digitalen Dialog sind das Ergebnis Entgrenzung und weitgehender Anonymität der Teilnehmer, die durch fehlende Regeln und deren konsequente Durchsetzung begünstigt werden.
Fake und Hate erschweren konstruktiven Diskurs, weil weder eine gemeinsame Basis noch einvernehmliche Methoden der Verständigung vorhanden sind. Es können keine Ergebnisse erzielt werden, die von unterschiedlicher Warte vernünftig nachvollzogen werden können - der Diskurs wird schlichtweg irrational.
Wie wird gelingender Dialog im digitalen Raum gefördert?
Die Voraussetzungen für Diskurs sind besser denn je: größere und breitere Bildung, Möglichkeiten (fast) globaler sprachlicher Verständigung und Verfügbarkeit relevanter und differenzierter Informationen. Wie sähe ein digitaler Raum aus, der diese Fähigkeiten zur Entfaltung bringt?
Begrenzung mit Zugang – Orte des rationalen Diskurses brauchen Grenzen und müssen überschaubar bleiben. Dazu gehört, dass aktive Teilnehmer sich ihren Status – ähnlich wie in einem Freundeskreis oder einem Verein – erst erarbeiten müssen. Ein ständiges Kommen und Gehen anonymer Teilnehmer ist kontraproduktiv für guten Diskurs.
Regeln und Durchsetzung – Die Regeln des Dialogs (Netiquette etc.) müssen klar dargelegt und möglichst präzise sein. Sie müssen den Teilnehmern vermittelt und von ihnen respektiert werden. Ebenso wichtig ist die Durchsetzung der Regeln durch eine unabhängige Moderation, die dabei nicht thematisch argumentiert
Gemeinsame Fakten und Sprache – Diskurs entfaltet sich auf Basis gleich verstandener Faktenaussagen und findet eine “gemeinsame Sprache”. Es wird damit nicht zwangsläufig die skeptische Richtung eingeschlagen, die gemeinsame Wahrnehmung in Frage zu stellen, sondern es kann rationaler (und bestenfalls konstruktiv) darüber diskutiert werden, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind.
Pluralität der Diskurse – Nicht jeder wird die faktischen Annahmen in einem digitalen Diskursraum anerkennen, noch wird er dessen Netiquette akzeptieren und vermutlich kann und will er ihm auch nicht beitreten. Aber: es gibt viele Diskursräume. Mit unterschiedlichen Teilnehmern, mit unterschiedlichen Themen und mit verschiedenen Regeln. Es gibt geeignete Austauschorte für nahezu jeden, der wirklich argumentieren möchte. Menschen können in einer Vielzahl solcher Diskursräume Mitglied sein.
Wieso Publisher eine hervorragende Diskurs Plattform bieten können
Verlage haben seit jeher eine Vorreiterrolle bei der Verbreitung von Meinungen gespielt. Bei dieser Aufgabe ist durch die wachsenden digitalen Alternativen eine nachlassende Relevanz zu verzeichnen. Gestiegen ist dagegen (auch durch Digitalisierung) das technische Vermögen und die Nachfrage, neben der Verbreitung auch den Diskurs der Meinungen zu unterstützen. Es gibt gute Gründe, warum sich gerade Publisher auch als Diskursplattform sehen sollten:
Journalistischer Anspruch: Verlage haben vergleichsweise glaubwürdige Fakten- und begründete Meinungsartikel (publizistische Grundsätze, Pressekodex)
Am Thema, statt in Social Media zu diskutieren: die Leserschaft hat nach der Rezeption von Artikeln nicht selten ein Bedürfnis, das Thema aufzugreifen
Pluralität: Verlagsangebote sind vielfältig, was Themen und geistige Strömungen angeht.
Hosting: Publisher können eigene, unabhängige technische Diskursplattformen anbieten, anstatt den Traffic von Kommentierung und Diskussion an Social Media Plattformen zu verschenken.
Zugang: Plattformbetreiber können den Zugang zum Diskurs regeln, da keine komplett anonyme Teilnahme möglich sein sollte. In der Regel werden die registrierten Nutzer oder Abonnenten diskutieren.
Regeln setzen und durchsetzen: Publisher können und sollten ihre eigenen Hausregeln aufstellen. Diese müssen danach mit den nötigen Ressourcen konsequent durchgesetzt und exemplifiziert werden. Die Moderation kann sich dabei positiver wie negativer Anreize bedienen.
Win-Win-Situation: Verlage, die ihre Artikel durch thematische Kommentierung fortsetzen, sind für Leser attraktiv, können eine treue Community aufbauen und Mehrwerte bieten.
Verlage haben insgesamt sehr gute Voraussetzungen als Plattformen für gelingenden digitalen Diskurs. Die technischen Möglichkeiten für eigene, unabhängige und vielfältige Communitys (inklusive Zugangskontrolle und Moderation) sind vorhanden. Nicht zuletzt können Publisher durch strategischen Einsatz der Diskurse eigene Ziele in Form von Aufmerksamkeit und Treue erreichen. Dabei kann sowohl der digitale Meinungsaustausch als auch die Glaubhaftigkeit der Berichterstattung gewinnen.Eine vollständig automatische Moderation von nutzergenerierten Kommentaren in Deutsch (bzw. mit deutschsprachigen Anteilen) ist nicht zu empfehlen. Vor allem dann, wenn das Ergebnis möglichst fehlerfrei sein soll.